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Der Monumentalfilm "Birth of a Nation" (Geburt einer Nation) war seit jeher umstritten. Nach seiner Entstehung 1915 machte man dem Regisseur David Wark Griffith Vorwürfe, deren Brisanz bis heute anhält: "Birth of a Nation" sei zutiefst rassistisch, hieß es; Griffith zeige ein geschöntes Bild der amerikanischen Südstaaten vor dem Sezessionskrieg (1861-1865). Die Filmhandlung rankt sich um diesen Krieg, dessen Anlass grundlegende Differenzen zwischen Nord und Süd waren, in wirtschaftlichen wie sozialen Fragen - namentlich was die Sklaverei anlangt: Die Südstaaten hielten an ihr fest; sie waren wegen der Wahl Abraham Lincolns zum US-Präsidenten aus der Union ausgetreten und hatten sich zur Konföderation zusammengeschlossen. Dagegen trat der fortschrittlichere amerikanische Norden für die Befreiung der Schwarzen an. Die Konföderierten verloren den Krieg."Geburt einer Nation" ist nun in sorgfältig restaurierter Fassung auf DVD erschienen: eine gute Gelegenheit, die Vorwürfe nochmals zu prüfen, die an Griffith ergangen sind, und wer das tut, wird sie bestätigt sehen. Bereits die Vorlagen zum Film sind problematisch: "The Leopard's Spot" und "The Clansman" von Thomas Dixon sind die ersten Teile einer Romantrilogie über den Ku-Klux-Klan. Griffith inszenierte das Material als Liebesgeschichte vor historischem Hintergrund: Die Familie Stoneman repräsentiert den strengen, abolitionistischen Norden, während der alte Süden am Beispiel der Familie Cameron als beschauliche, liebevoll patriarchalisch geführte Gesellschaft skizziert wird: Die Sklaven arbeiten zwar zwölf Stunden täglich, haben aber auch zwei Stunden Mittagspause, während der sie von ihren fürsorglichen Besitzern besucht werden; zur Begrüßung gibt es ein Tänzchen.Die Idylle endet mit Beginn des Sezessionskriegs; bald haben beide Familien Opfer zu beklagen. Die Camerons verlieren indes nicht allein zwei ihrer drei Söhne, der Süden leidet nach der Niederlage allenthalben unter der Willkür der nun herrschenden "Schwarzen und Nordstaatengauner" (so ein Zwischentitel). Im Verständnis dieses Films entsteht der Ku-Klux-Klan als Akt der Notwehr entrechteter Südstaatenweißer gegen das neue Regime. Dem überlebenden Sohn der Camerons kommt die Idee zu dieser Vereinigung, als er einmal verzweifelt am Fluss sinniert und weißen Kindern dabei zusieht, wie sie unter einem Bettlaken hervor die Kinder einstiger Sklaven erschrecken. D. W. Griffith setzt den Ku-Klux-Klan ins Recht auch durch Szenen, in denen ein Schwarzer die jüngste Tochter der Camerons im Wald bedrängt und sie aus Angst vor Vergewaltigung von einem Felsen in den Tod springt. Das Mädchen wird tief betrauert von den schwarzen Dienstboten der Familie, "treuen Seelen".Man wird fragen, warum ein solcher Film nun wiederveröffentlicht wird. Dafür gibt es verschiedene Gründe, wenigstens einer davon ist unabweisbar: Mit "Geburt einer Nation" etablierte Griffith die Filmsprache ästhetisch - durch Parallelmontagen, Rückblenden, Ausblenden, Nachtaufnahmen, Kamerafahrten, Panoramaschwenks und meisterhaft choreografierte Massenszenen. Das hatte es so noch nicht gegeben. Das Konzept wird beschrieben als "writing history with lightning". Erfolgreich war es auch im übertragenen Sinn: Ohne "Birth of a Nation" wären etwa Regisseure wie Sergej Eisenstein und Theoretiker wie Gilles Deleuze nicht denkbar. Griffith' Film ist zudem nicht nur das erste Epos der Kinogeschichte (und, wenn man so will, der erste Propagandafilm), sondern auch das erste über Gründungsmythen der USA. Das Attentat auf Präsident Lincoln wird ebenso eindrucksvoll behandelt wie der Brand von Atlanta. Auch die wohl erste Wahlmanipulation in der Filmgeschichte findet sich hier: Nach dem Krieg werden die Weißen im Süden von Wahlen ausgeschlossen und alle Ämter mit Schwarzen besetzt.Mit "Geburt einer Nation" erfand sich der Film als Massenmedium: Die Leute rannten geradezu in diesen Film, der rund 110 000 Dollar kostete und - damals sagenhaft - zwischen 50 und 100 Millionen Dollar einspielte. Manchenorts wurde demonstriert gegen den Rassismus in "Birth of a Nation". Im DVD-Booklet ist die zeitgenössische Debatte um dieses Werk auszugsweise dokumentiert: Es enthält nicht nur Erinnerungen der Schauspielerin Lillian Gish an D. W. Griffith, sondern auch einen Bericht aus dem "New York Globe" vom 6. April 1915, der dem Regisseur vorwirft, Rassenhass zu Geld zu machen. Selbst die Erwiderung von Griffith auf diesen Artikel kann man nachlesen - alles in deutscher Erstübersetzung.Dass "Birth of a Nation" für die "Verteidigung des arischen Geburtsrechts" plädiert, dass kein Mulatte hier sympathische Züge aufweist - das und anderes lässt sich nicht schönreden. Und doch ist die Kritik am Missbrauch von Macht ein Generalthema des Films: Griffith beklagt korrupte und radikale Politik im Vorspann wie in Zwischentiteln. Hund und Katze - das ist das Bild, mit dem Griffith eingangs seine Antipoden symbolisiert. Die naive Hoffnung des Regisseurs gilt der "brüderlichen Liebe"; am Ende eint er Nord und Süd in der Ehe. 1916 drehte D. W. Griffith ein weiteres Mammutwerk: "Intolerance" geißelt den Hass, indem der Film die Blutspur zeigt, die dieser in der Weltgeschichte hinterließ.Geburt einer Nation als DVD erschienen bei Absolut Medien, ca. 16 Euro.------------------------------Foto: Während der Schlacht bei Petersburg wird der verwundete Cameron von den Nordstaatensoldaten geborgen.------------------------------Foto: Eilt zur Rettung entmachteter Südstaatenweißer herbei: ein vermeintlich edler Ku-Klux-Klan.